
Ihr modernes Auto ist eine Datenplattform auf Rädern, doch Sie sind der Datensammlung nicht hilflos ausgeliefert.
- Hersteller und Drittanbieter haben ein enormes wirtschaftliches Interesse an Ihren Fahr- und Standortdaten, oft ohne transparenten Gegenwert für Sie.
- Angebote wie Telematik-Tarife versprechen Rabatte, doch die starren Algorithmen bestrafen oft eine sichere, aber unkonventionelle Fahrweise (z.B. bei E-Autos).
Empfehlung: Werden Sie zum aktiven Manager Ihrer digitalen Souveränität im Cockpit. Überprüfen Sie gezielt die Datenschutzeinstellungen Ihres Fahrzeugs und deaktivieren Sie alle Dienste, die keinen klaren Mehrwert bieten.
Die Faszination eines Neuwagens geht längst über Motorleistung und Design hinaus. Es ist das Versprechen nahtloser Konnektivität: Echtzeit-Navigation, die Staus umfährt, per App vorgeheizte Innenräume im Winter und Musikstreaming ohne Unterbrechung. Doch diese Annehmlichkeiten haben einen Preis, der nicht auf der Rechnung steht – Ihre Daten. Ihr Fahrzeug ist zu einer der umfassendsten Datensammelmaschinen in Ihrem Leben geworden, die potenziell mehr über Ihre Gewohnheiten, Ihren Aufenthaltsort und sogar Ihre finanzielle Situation verrät als Ihr Smartphone.
Die gängige Reaktion auf diese wachsende Besorgnis ist oft ein resigniertes Schulterzucken oder der pauschale Rat, einfach alle Online-Funktionen zu deaktivieren. Doch dieser Ansatz ist unbefriedigend, denn er zwingt Sie, auf wertvolle Vorteile zu verzichten, für die Sie bezahlt haben. Die wahre Herausforderung liegt nicht in einem digitalen Totalverzicht, sondern darin, die Kontrolle zurückzugewinnen. Es geht um die Wiederherstellung Ihrer digitalen Souveränität im Cockpit. Die entscheidende Frage ist nicht, *ob* Sie vernetzte Dienste nutzen, sondern *wie* Sie sie bewusst und sicher konfigurieren.
Dieser Artikel verfolgt einen anderen Ansatz. Anstatt nur vor den Risiken zu warnen, geben wir Ihnen als IT-Sicherheitsexperten das Wissen und die Werkzeuge an die Hand, um informierte Entscheidungen zu treffen. Wir entschlüsseln die Datenökonomie hinter dem Connected Car, zeigen Ihnen, wie Sie die Datensammlung auf das Nötigste reduzieren und bewerten, wann sich ein Datentausch wirklich lohnt – und wann er eine Falle ist. Ziel ist es, dass Sie die Vorteile der modernen Fahrzeugtechnologie genießen können, ohne Ihre Privatsphäre an Hersteller oder Versicherungen zu verkaufen.
Um Ihnen eine klare und strukturierte Übersicht zu geben, beleuchtet dieser Leitfaden die wichtigsten Aspekte der Datensicherheit und -kontrolle in vernetzten Fahrzeugen. Der folgende Inhalt führt Sie schrittweise von der Identifizierung der gesammelten Daten bis hin zu konkreten Schutzmaßnahmen.
Inhalt: Digitale Souveränität im Cockpit zurückgewinnen
- Welche 12 Datentypen Ihr vernetztes Auto täglich an Hersteller und Dritte sendet
- Wie Sie in 7 Schritten die Datensammlung Ihres Connected Cars auf das Minimum reduzieren
- Telematik-Tarif oder Standardversicherung: wann sich der Datentausch gegen 15 % Rabatt lohnt
- Der digitale Diebstahl: wie Hacker in 90 Sekunden vernetzte Autos öffnen und starten
- Welche 5 Connected-Funktionen wirklich nützlich sind und auf welche 7 Sie verzichten können
- Wer zahlt bei einem Unfall mit Autopilot: Sie oder der Hersteller? Die deutsche Rechtslage
- CarPlay vs. Android Auto vs. Mercedes MBUX: welches System bei deutscher Autobahn-Navigation präziser ist
- Autonomiestufe 2 vs. 3 vs. 5:Wie viel PS Sie wirklich brauchen: die Formel für das perfekte Leistungs-Verbrauchs-Verhältnis
Welche 12 Datentypen Ihr vernetztes Auto täglich an Hersteller und Dritte sendet
Viele Autofahrer gehen davon aus, dass ihr Fahrzeug nur im Falle eines Notrufs oder bei aktiver Navigation Daten sendet. Die Realität ist weitaus umfassender und invasiver. Moderne Fahrzeuge erzeugen und übermitteln kontinuierlich eine riesige Menge an Informationen, die weit über den reinen Betrieb hinausgehen. Diese asymmetrische Transparenz – bei der der Hersteller alles weiß, der Fahrer aber im Dunkeln tappt – ist das Kernproblem. Ein erschreckendes Beispiel dafür war das Datenleck bei der VW-Softwaretochter Cariad im Jahr 2024. Dabei wurden Bewegungs- und Kontaktdaten von Hunderttausenden Fahrzeugen ungeschützt offengelegt. Besonders alarmierend: Für 460.000 Fahrzeuge waren präzise Standortdaten einsehbar, die detaillierte Rückschlüsse auf den Alltag der Besitzer zuließen.
Um Ihre digitale Souveränität zu wahren, müssen Sie zunächst wissen, was überhaupt gesammelt wird. Hier sind 12 typische Datenkategorien, die Ihr Auto permanent erfasst:
- Standort- & Bewegungsdaten: GPS-Koordinaten, gefahrene Routen, Parkpositionen, Geschwindigkeitsprofile.
- Fahrverhaltensdaten: Beschleunigungs- und Bremsvorgänge, Kurvengeschwindigkeiten, Nutzung von Assistenzsystemen.
- Fahrzeugzustandsdaten: Kilometerstand, Reifendruck, Ölstand, Batterieladezustand (bei E-Autos).
- Technische Diagnosedaten: Fehlercodes (DTCs), Softwareversionen, Sensorwerte in Echtzeit.
- Infotainment-Nutzung: Genutzte Apps, verbundene Geräte (via Bluetooth/USB), Lautstärkeeinstellungen.
- Kommunikationsdaten: Metadaten von Anrufen über die Freisprecheinrichtung (wer, wann, wie lange).
- Biometrische Daten (optional): Einige Premium-Modelle erfassen bereits per Innenraumkamera Daten zur Müdigkeitserkennung.
- Umfelddaten: Von Kameras und Sensoren erfasste Daten über die Fahrzeugumgebung (relevant für autonomes Fahren).
- Vertragsdaten: Verknüpfung der Fahrzeug-Identifikationsnummer (FIN) mit Ihren persönlichen Kundendaten.
- Ladeinformationen (E-Autos): Ladeorte, Ladezeiten, geladene Energiemenge.
- Remote-Zugriffe: Protokollierung jeder Interaktion über die Hersteller-App (z. B. Türverriegelung, Klimatisierung).
- Sprachbefehle: Aufzeichnungen von Kommandos an die Sprachsteuerung, die oft zur „Verbesserung“ an Server gesendet werden.
Diese Daten bilden ein detailliertes Profil über Sie, Ihre Gewohnheiten und sogar Ihre finanzielle Situation (z.B. durch regelmäßige Fahrten zu teuren Restaurants oder Golfplätzen). Sie sind die Währung in der neuen Datenökonomie der Automobilindustrie.
Wie Sie in 7 Schritten die Datensammlung Ihres Connected Cars auf das Minimum reduzieren
Die gute Nachricht ist: Sie sind der Datensammelwut der Hersteller nicht völlig ausgeliefert. Durch eine Kombination aus rechtlichen Ansprüchen und technischen Einstellungen können Sie die Kontrolle über Ihre Daten zu einem großen Teil zurückgewinnen. Der Schlüssel liegt in der granularen Kontrolle – dem bewussten Deaktivieren einzelner Dienste statt eines pauschalen „Offline-Modus“. Nicht jede Funktion ist gleich datenhungrig und nicht jede ist für Sie verzichtbar. Ein gutes Beispiel für den Zielkonflikt zwischen Sicherheit und Datenschutz ist das gesetzlich vorgeschriebene eCall-System in Deutschland. Während es bei einem Unfall Leben retten soll, schafft seine technische Basis (GPS und Mobilfunkmodul) die Infrastruktur für weitreichendere Datenerfassungen, die Hersteller gerne für ihre kommerziellen Dienste nutzen.
